Modul 2 – Open Monitoring Meditation (OM): Mentale Flexibilität durch präzise Wahrnehmung

Was ist Open Monitoring Meditation und warum ist sie radikal anders als „Entspannung“?

Open Monitoring Meditation (OM) ist eine Form der Achtsamkeitsmeditation, bei der du nicht auf ein Objekt fokussierst (wie z. B. den Atem), sondern deine Aufmerksamkeit gleichmässig offen hältst für alle inneren und äusseren Phänomene: Gedanken, Gefühle, Körperwahrnehmungen, Geräusche, Erinnerungen.

Ziel ist nicht, zur Ruhe zu kommen – sondern bewusst wach zu bleiben und die Fähigkeit zu entwickeln, nicht automatisch auf Inhalte zu reagieren. Es ist ein mentales Anti-Autopilot-Training.

Warum ist das entscheidend?
Weil dein Gehirn bei Reizüberflutung automatisch fokussiert – auf das Dringlichste, das Bedrohlichste, das lauteste innere Signal. OM unterbricht diesen Reflex, stärkt die exekutive Kontrolle, reduziert die Aktivität im Default Mode Network (DMN) – dem Netzwerk, das für Grübeln, Selbstverstrickung und mentale Wiederkäuerprozesse verantwortlich ist.


Was bringt OM konkret – neurobiologisch und kognitiv?

  • Stärkere exekutive Funktionen: Du lernst, nicht jedem Gedanken zu folgen, sondern dein mentales Steuerzentrum zu trainieren
  • Abschwächung von Grübeln: OM reduziert die Aktivität des medialen präfrontalen Kortex – verantwortlich für Selbstkritik und Sorgenketten
  • Bessere Affektkontrolle: Durch nicht-reaktives Beobachten entsteht emotionale Robustheit
  • Erhöhte kognitive Flexibilität: Du wirst schneller, klarer und adaptiver in wechselnden Situationen
  • Erweiterung des metakognitiven Bewusstseins: Du erkennst, was du gerade denkst, ohne es automatisch für wahr zu halten

Wie führst du Open Monitoring korrekt aus – Schritt für Schritt

Zeitpunkt:

  • Optimal: Morgens direkt nach dem Aufstehen oder nachmittags nach Inputphasen
  • Nicht geeignet: Direkt nach NSDR oder körperlicher Erschöpfung

Dauer:

  • Einsteiger: 10 Minuten
  • Fortgeschritten: bis zu 20 Minuten
  • Regel: Lieber täglich 10 Minuten als einmal 45 Minuten

Schritt-für-Schritt-Anleitung:

  1. Position einnehmen:
    • Aufrechter Sitz auf einem Stuhl oder Kissen
    • Hände ruhen auf Oberschenkeln, Augen leicht geschlossen (nicht zu!)
  2. Initiale Orientierung (30 Sekunden):
    • Atme ruhig ein und aus
    • Richte die Aufmerksamkeit kurz auf deinen Atem oder die Sitzfläche
  3. Weitstellung des Fokus (2–3 Minuten):
    • Lass die Aufmerksamkeit sich öffnen
    • Nimm ALLES wahr, was auftaucht: Gedanken, Körperempfindungen, Geräusche, Emotionen
    • Stell dir vor, dein Geist ist wie ein offenes Mikrofon
  4. Benennen (Labeling, optional):
    • Wenn du etwas wahrnimmst, benenne es leise im Kopf:
      • „Gedanke“ – „Geräusch“ – „Erinnerung“ – „Planen“ – „Kritik“ – „Spannung“
    • Sofort danach: weiterziehen lassen. Keine Analyse.
  5. Zurück in die Offenheit:
    • Du kehrst nicht zu einem Objekt zurück – du bleibst im Feld.
    • Ziel: Bewusst offen bleiben, nicht fokussieren
  6. Abschluss (letzte Minute):
    • Beobachte deinen Zustand: innerlich ruhiger? weiter? klarer?
    • Öffne langsam die Augen. Kein Smartphone für 2 Minuten.

Dos & Don’ts – Für maximale Wirksamkeit

Dos:

  • Täglich durchführen, unabhängig von Zustand oder Laune
  • Nicht bewerten, ob du „gut“ oder „schlecht“ meditiert hast
  • Variieren: Mal mit Geräuschen, mal mit inneren Gedanken, mal mit Körperfokus
  • Verwende Timer mit weichem Klang (kein Handy-Klingelton!)
  • Notiere kurz danach, was du beobachtet hast (optional)

Don’ts:

  • Nicht versuchen, Gedanken zu stoppen – OM ist kein Gedankenmanagement
  • Keine Musik, keine geführte Meditation → du brauchst ungefilterte Wahrnehmung
  • Kein Multitasking davor (z. B. Mails oder Social Media)
  • Nicht liegend – Gefahr des Wegdriftens zu gross

Messmethoden – Wie du Fortschritte objektiv misst

1. MAAS – Mindful Attention Awareness Scale:

  • Wöchentliche Selbsteinschätzung via Fragebogen (Skala 1–6)
  • Ziel: Steigende Scores in den Bereichen Gegenwärtigkeit und Nicht-Ablenkung

2. Kognitive Flexibilität (Reaktionstest):

  • Stroop-Test oder Go/No-Go Test via App
  • Ziel: Verbesserte Reaktionszeit + weniger Fehler

Tägliche Umsetzungsversion – 10 Minuten Protokoll

MinuteInhalt
1–2Sitz einnehmen, Atem spüren
3–5Feld öffnen, alles beobachten
6–8Labeln und ziehen lassen
9–10Weit offen bleiben, Abschluss

Hinweis zur Wirkung:
OM wirkt nicht sofort als Entspannung, sondern langfristig als mentales Resilienztraining. Die ersten 2–3 Wochen können „chaotisch“ wirken – viele Gedanken, unklarer Effekt. Das ist normal. Dein System lernt, die inneren Fenster nicht mehr automatisch zu schliessen. Das ist der wahre Gewinn.

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