Modul 4 – Regenerationsroutine: Schlafvorbereitung als neurophysiologische Hochleistung

Was ist die Regenerationsroutine – und warum ist Schlafvorbereitung kein „Abschalten“, sondern Systemsteuerung?

Schlaf ist keine Pause – Schlaf ist Regulation.
Er ist das effizienteste neurologische Systempflegeprogramm, das deinem Körper zur Verfügung steht. Aber: Qualitätsschlaf ist kein Zufall. Er ist das Resultat deiner neurobiologischen Vorbereitung.

Die meisten Menschen versuchen zu schlafen, während ihr System noch in Alarmbereitschaft ist:

  • Bildschirmlicht → unterdrückt Melatonin
  • Kognitive Überlastung → keine mentale Entladung
  • Fragmentierter Rhythmus → kein zirkadianes Signal
  • Alkohol / Zucker / spätes Training → biochemische Störung

Die Regenerationsroutine zielt darauf ab, dein Nervensystem innerhalb von 30–60 Minuten gezielt von Sympathikus auf Parasympathikus umzustellen – also von Leistungsmodus in Regeneration.


Warum ist das physiologisch so entscheidend?

1. Der Wechsel: Sympathikus → Parasympathikus

  • Tagsüber dominierst du mit Adrenalin, Cortisol, Glukose
  • Für Schlaf brauchst du Melatonin, GABA, Serotonin
  • Ohne „Downshift“ kommt dein System nicht in den Reparaturmodus

2. Melatonin-Freisetzung wird durch Licht gesteuert

  • Jeder Kontakt mit Bildschirm, LED oder grellem Licht → stoppt Melatonin-Produktion für 90 Minuten
  • Ohne Melatonin: Einschlafzeit +30–45 Minuten, weniger Tiefschlaf

3. Temperaturabsenkung als Einschlafsignal

  • Körper senkt Kernkörpertemperatur vor dem Einschlafen um 1°C
  • Heisses Duschen → Wärmeabgabe → Temperaturabsenkung
  • Aber: Nur wenn Licht und Stress reduziert sind

Ziel dieser Routine:

  • Cortisol dämpfen
  • Melatonin aktivieren
  • Gedanken entladen
  • Körper in Ruhemodus versetzen
  • Reizempfindlichkeit reduzieren
    → Schlaf wird tief, regenerativ und unterbrechungsfrei

Wie du die Regenerationsroutine aufbaust – Schritt für Schritt

Gesamtdauer: 30–60 Minuten vor dem Schlafen


1. Lichtmanagement (ab T-60 Minuten)

  • Alle hellen Lichtquellen dimmen oder ausschalten
  • Nur noch warmes Licht / Rotlicht / Kerzenlicht
  • Keine Deckenbeleuchtung
  • Optional: Blaulichtfilterbrille tragen

2. Digitales Fasten (T-45 Minuten)

  • Keine Screens mehr ab 45 Minuten vor dem Einschlafen
    → Kein Handy, kein Laptop, kein TV
    → Ausnahme: NSDR-Audio mit schwarzem Bildschirm

Warum:

  • Blaulicht senkt Melatonin
  • Digitale Inhalte aktivieren Denkprozesse & Dopamin

3. Körperliche Regulation (T-30 Minuten)

Option A – Heiss duschen (nicht kalt!)

  • 5–7 Minuten warm duschen
  • Fokus: Nacken, Rücken, Füsse
    → Unterstützt Temperaturabsenkung danach

Option B – Stretch & Release

  • Leichtes Dehnen: Rücken, Hüfte, Schulter
  • 5–10 Minuten, ruhig & fliessend
    → Reizentkopplung aus Muskel- und Nervensystem

4. Gedankliche Entladung (T-15 Minuten)

1-Minuten-Brain-Dump:

  • Papier, Notizbuch oder App
  • „Was beschäftigt mich noch?“ – alles raus
  • Kein Sortieren, kein Lösen – nur Entladen

Optional:

  • 1 Satz:


    „Ich muss mich jetzt um nichts mehr kümmern. Mein System übernimmt.“


5. Atemfokus (T-5 Minuten)

Box Breathing oder 4-7-8-Atmung:

  • Einatmen 4 Sekunden
  • Halten 7 Sekunden
  • Ausatmen 8 Sekunden
    → 3–5 Runden, ruhig im Bett oder im Sitzen

Effekt: Aktiviert den Vagusnerv, senkt Herzfrequenz, beruhigt Geist


Dos & Don’ts – damit der Schlaf wirklich regeneriert

Dos:

  • Fixe Routinezeit → zirkadiane Verankerung
  • Jeden Tag – auch am Wochenende
  • Max. 3 wiederkehrende Elemente (Licht, Körper, Atem)
  • Dunkler, kühler Raum: 17–19°C, kein Licht

Don’ts:

  • Kein Training nach 20:00 Uhr
  • Kein Essen in der letzten Stunde (Ausnahme: Casein oder Magnesium)
  • Kein Alkohol (unterdrückt Tiefschlaf)
  • Keine hitzigen Gespräche / Nachrichten lesen

Wie du Fortschritt misst – subjektiv & objektiv

1. Einschlafzeit messen (subjektiv)

  • Wie lange brauchst du, bis du weg bist?
  • Ziel: unter 15 Minuten nach Hinlegen

2. Aufwachqualität

  • 1–10 Skala: Wie wach fühlst du dich nach dem Aufwachen?
  • Ziel: mindestens 7 an 5 von 7 Tagen

3. Wearable-Sleep Score (optional mit Oura, Garmin, WHOOP)

  • Messung von REM-, Tief- und Leichtschlafanteil
  • Ziel: 90+ Schlafscore / 1:1 Verhältnis REM:Tiefschlaf

Langzeitwirkung (nach 2–3 Wochen täglicher Anwendung)

  • Deutlich besseres Einschlafen ohne Grübeln
  • Längerer Tiefschlafanteil
  • Kürzere Wachphasen in der Nacht
  • Reduzierte Morgenmüdigkeit
  • Stabileres Stressniveau am Tag (weniger reaktives Cortisol)

Weiterführende Ressourcen

YouTube-Videos

  1. “Perfect Sleep Routine Backed by Science” – Dr. Andrew Huberman
    https://www.youtube.com/watch?v=h2Yqg4xYJ38
  2. “Wind Down for Deep Sleep” – Dr. Matthew Walker (Sleep Scientist)
    https://www.youtube.com/watch?v=gbQFSMayJxk

Artikel

  1. “The Science of Sleep Preparation – Harvard Medical School”
    https://www.health.harvard.edu/staying-healthy/healthy-sleep-tips
    (Schlafvorbereitung aus klinischer Sicht)
  2. “Evening Routines and Sleep Regulation – Neuroscience Review” – NIH
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6771473/
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