Modul 2: Wöchentlicher Selbstbild-Scan

Systemfunktion: Selbstjustierung, Rollenklarheit, emotionale Entkopplung

Ziel: Sichtbarkeit deiner gelebten Identität – jenseits von Rollen, Erwartungen und Projektionen

Einleitung: Das Selbstbild ist nicht statisch – es driftet täglich

Die grösste Illusion im Persönlichkeitsbereich ist: „Ich weiss, wer ich bin.“

Fakt ist: Deine Identitätswahrnehmung driftet täglich – abhängig von:

  • deiner emotionalen Lage,
  • deinen Rollenanforderungen,
  • dem Feedback anderer,
  • deinem Energielevel und Stresszustand.

Wenn du diesen Drift nicht regelmässig sichtbarmachst, entsteht Selbstbildverzerrung: Du spielst Rollen, funktionierst, wirst effizient – aber verlierst Verbindung zu dir selbst.

Dieses Modul ist dein wöchentlicher Regrounding-Check: Was zeigst du, was versteckst du, und was stimmt nicht mehr?

Die drei Fragen des Selbstbild-Scans

Einmal pro Woche – idealerweise direkt im Anschluss an deine Wochenplanung (Kap. 6, Mod. 2) – beantwortest du diese drei Fragen:

1. Welche Rolle spiele ich gerade am stärksten?

  • Nicht: Welche Rolle will ich leben?
  • Sondern: Welche Rolle dominiert mein Verhalten?

Beispiele:

  • „Ich bin voll im Macher-Modus, alles dreht sich um Projekte.“
  • „Ich bin im Rückzugsmodus – kein Kontakt, viel Grübeln.“
  • „Ich spiele den Mentor, aber höre nicht selbst mehr zu.“

Ziel: Sichtbarkeit. Nicht Veränderung – nur Klarheit.

2. Wofür stehe ich aktiv in dieser Woche?

  • Welche Haltung, welche Werte, welches Verhalten war spürbar verkörpert?
  • Was war präsent? Mut? Klarheit? Kontrolle? Anpassung? Nähe?

Beispiele:

  • „Ich stand für Präzision – aber nicht für Verbindung.“
  • „Ich war hilfsbereit – aber nicht klar in meinen Grenzen.“
  • „Ich war laut – aber nicht echt.“

Ziel: Aktive Verkörperung reflektieren – nicht Absicht, sondern Wirkung.

3. Was an meinem Selbstbild passt gerade nicht mehr?

  • Welcher Glaubenssatz ist veraltet?
  • Welche Rolle fühlt sich leer, aufgesetzt oder müde an?

Beispiele:

  • „Ich denke noch, ich muss immer stark sein – das stimmt nicht mehr.“
  • „Ich will helfen, aber ich brauche gerade Rückzug.“
  • „Ich tue so, als wäre ich sicher – aber ich spüre Unsicherheit.“

Ziel: Selbstkorrektur. Altes loslassen. Authentizität ermöglichen.

Format & Durchführung

ElementEmpfehlung
ZeitpunktSonntagabend oder Montag früh
FormatJournal (3 kurze Absätze) oder Sprachnotiz (3–5 Minuten)
OrtGekoppelt mit Wochenplanung / Identitätsachsen-Check
Tiefe pro AntwortMindestens 2–3 Sätze, keine Stichworte

Messmethoden

1. Selbstbilddifferenz (1–10)

Frage dich nach der Reflexion:

„Wie weit ist das, was ich zeige, entfernt von dem, was ich wirklich bin?“

Bewerte auf einer Skala von 1 (voll identisch) bis 10 (komplett entfernt).

Notiere zusätzlich: „Warum?“ (1 Satz)

2. Rollenkohärenz

„Wie stimmig war ich mit meiner gelebten Rolle diese Woche?“

Skala 1–10 → z. B. „Ich war sichtbar als Führungskraft – aber innerlich leer → 5/10“

Typische Spannungen, die du beobachten wirst:

SpannungBeschreibung
Rolle vs. SelbstDu funktionierst, aber spürst dich nicht
Absicht vs. WirkungDu willst helfen, aber wirkst kontrollierend
Veraltete IdentitätDu lebst ein Bild von dir, das längst überholt ist
FremdbilddruckDu handelst aus Erwartung – nicht aus Wahrheit

Diese Spannungen sind keine Fehler – sie sind Entwicklungssignale.

Wenn du sie sichtbar machst, kannst du bewusst entscheiden, ob du:

  • Korrigierst (Verhalten verändern),
  • Akzeptierst (Spannung aushalten),
  • Verabschiedest (alte Rollen oder Bilder loslässt).

Verbindung zu anderen Modulen

VerbindungErklärung
Kap. 7 – Modul 1Identitätsachsen liefern Tiefe, hier wird alltagsnahe Ausführung sichtbar
Kap. 3 – Modul 3Tiefe Gespräche sind Spiegel – ideal nach Selbstbild-Scan
Kap. 6 – Modul 5Tägliches Selbstführungstagebuch ergänzt das Wochenscan-Modul
Kap. 4 – Modul 1Entscheidung nach Werten zeigt, ob Selbstbild in Handlung übergeht

Psychologischer Hintergrund

  • Selbstbilddrift ist normal – aber korrigierbar (Selbstkonsistenztheorie, Festinger)
  • Rollenidentifikation kann hilfreich, aber auch gefährlich sein (Role Enmeshment, Jung)
  • Selbsttransparenz senkt Burnout-Risiko (Authentizitätsforschung, Kernis & Goldman)
  • Narrative Integration = psychische Stabilität (Narrative Identity, McAdams)

Beispiel – Wochenreflexion

Welche Rolle spiele ich gerade?

„Ich bin voll im Controller-Modus. Mache alles alleine. Niemand sieht meine Erschöpfung.“

Wofür stand ich diese Woche aktiv?

„Für Verlässlichkeit. Aber nicht für echte Kommunikation.“

Was passt nicht mehr an meinem Selbstbild?

„Ich glaube, ich muss immer führen. Aber ich sehne mich gerade danach, auch mal schwach zu sein.“

Selbstbilddifferenz: 7/10

Rollenkohärenz: 5/10

Zusammenfassung:

Der Selbstbild-Scan ist kein Spiegel.

Er ist ein Thermostat:

Er zeigt dir, wo du gerade bist, wie du wirkst – und ob du noch als du selbst unterwegs bist.

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