Systemfunktion: Selbstkohärenz, Orientierung, Handlungssicherheit unter Druck
Ziel: Ein vollständiges, differenziertes und entwicklungsfähiges Selbstbild – sichtbar gemacht
Einleitung: Die Identität als Betriebssystem deines Handelns
Viele Menschen glauben, sie handeln aus „Willen“, „Motivation“ oder „Zielen“. In Wirklichkeit handeln sie zu 90 % aus dem, was sie über sich selbst glauben – oft unbewusst. Dein Selbstbild ist kein Spiegel – es ist dein inneres Steuerpult. Wenn du deine inneren Identitätsachsen nicht kennst oder verzerrt wahrnimmst, entstehen:
- innere Spannungen („Ich funktioniere, aber ich fühle mich nicht wie ich“)
- Vermeidungsstrategien („Ich verändere lieber Dinge im Aussen als in mir“)
- Selbstsabotage („Ich setze etwas um, aber kippe regelmässig zurück“)
- emotionale Erschöpfung („Ich leiste viel, aber bin nicht mehr verbunden mit mir“)
Dieses Modul hilft dir, das zu korrigieren – präzise, tief und systematisch.
Die 4 Identitätsachsen im Überblick
Achse | Beschreibung |
Realbild | Wer du faktisch bist – im Verhalten, in Routinen, in Wirkung |
Idealbild | Wer du sein willst – deine Ausrichtung, dein Ziel-Selbst |
Fremdbild | Wie andere dich (vermutlich) sehen – real oder imaginiert |
Ursprungsbild | Wer du warst, bevor du dich angepasst hast – dein roher Kern |
Diese vier Perspektiven ergeben gemeinsam deine Selbstkohärenz. Je mehr Übereinstimmung zwischen ihnen herrscht (nicht Gleichheit!), desto klarer, stabiler und authentischer wirst du handeln – besonders unter Druck.
Umsetzung – Das 4-Achsen-Ritual (1×/Woche)
Schritt 1 – Zeit & Format festlegen
- Wochentag: Ideal: Sonntagabend oder Montagvormittag
- Format:
– Journal-Eintrag (schriftlich, 15 Minuten)
– Audio-Reflexion (Sprachnotiz, 5–7 Minuten)
– Notion/Template mit 4 Feldern - Ort: Fester Platz, am besten verbunden mit Wochenplanung (Modul 2, Kapitel 6)
Schritt 2 – Die vier Felder beschreiben
1. Realbild – Was bin ich faktisch?
Hier geht es nicht um deine Wünsche oder dein Selbstideal, sondern um das, was du wirklich gelebt hast:
- Welche Routinen habe ich diese Woche gehalten oder gebrochen?
- Welche Entscheidungen habe ich getroffen (oder vermieden)?
- Wie war meine Wirkung auf andere (konkret, nicht bewertet)?
Beispiel:
„Ich habe 4 Fokusblöcke gehalten, aber keine echte Verbindung zugelassen. Ich war diszipliniert, aber nicht präsent.“
Wirkung:
Du siehst dich nicht aus Hoffnung – sondern aus Handlung. Das erzeugt Realitätssinn und Selbstverantwortung.
2. Idealbild – Wer will ich aktiv sein?
Hier beschreibst du nicht deinen unrealistischen Traum vom perfekten Selbst – sondern das, was du bewusst wachsen lassen willst:
- Welche Eigenschaften will ich kultivieren?
- In welchem Moment war ich nah dran?
- Was hätte ich getan, wenn ich voll im Idealbild gewesen wäre?
Beispiel:
„Ich will mehr Klarheit und Präsenz zeigen – auch bei Konflikten. Diese Woche habe ich das in einem Gespräch geschafft, aber zweimal vermieden.“
Wirkung:
Du bringst dein Ziel-Selbst in Handlung, statt es als abstrakte Vision zu belassen. Du programmierst neue neuronale Schleifen durch Klarheit.
3. Fremdbild – Wie sehe ich mich durch die Augen anderer?
Hier geht es nicht um Anpassung, sondern um Wahrnehmung.
Diese Achse beleuchtet deine soziale Spiegelung – bewusst oder projiziert:
- Wie haben andere (vermutlich) auf mich reagiert?
- Was glaube ich, wie ich gewirkt habe?
- Wo spüre ich Diskrepanz zwischen Innen & Aussen?
Beispiel:
„Ich glaube, meine Mitarbeiter halten mich für stark – aber auch unnahbar. Ich war sachlich, aber vielleicht zu hart.“
Wirkung:
Du bekommst Feedbackkanäle – auch ohne Feedback. Du schärfst deine soziale Realität und kannst bewusst neu agieren.
4. Ursprungsbild – Wer war ich vor der Anpassung?
Diese Achse ist besonders tief – sie bringt dich zurück zu deinem ungefilterten Selbst:
- Wie war ich als Kind – in Spiel, Reaktion, Ausdruck?
- Wo spüre ich heute eine Trennung von dieser Essenz?
- Was von „damals“ darf heute wieder Raum bekommen?
Beispiel:
„Ich war als Kind impulsiv, laut, emotional ehrlich – heute bin ich kontrolliert, aber oft erstarrt. Vielleicht fehlt mir der Mut zur Emotion.“
Wirkung:
Du reaktivierst verloren geglaubte Energiequellen, Handlungsspielräume, Emotionstiefe. Diese Achse ist dein emotionaler Quellcode.
Messmethoden & Feedbackschleifen
1. Reflexionsquote (Zahl vollständiger Wochenreflexionen pro Monat)
→ Ziel: 4/4
→ Hebt deine Selbstkohärenz um ein Vielfaches – allein durch Regelmässigkeit
2. Identitätsklarheitsskala (1–10)
→ Frage dich danach: „Wie klar fühle ich mich in mir – unabhängig vom Aussen?“
→ Notiere Zahl + Mini-Notiz (z. B. „7 – spüre realen Shift, aber Fremdbild noch unscharf“)
Integration mit dem System I-900
Dieses Modul ist direkt verbunden mit:
Kapitel | Verbindung |
Kapitel 1 | NSDR & Emotion Labeling helfen dir, Realbild & Emotion zu trennen |
Kapitel 3 | Resonanzmoment zeigt dir oft dein Fremdbild realer als jeder Gedanke |
Kapitel 4 | Sinnsatz & Wertedefinition spiegeln dein Idealbild |
Kapitel 6 | Selbstführungstagebuch ergänzt deine Realbild-Reflexion täglich |
Kapitel 2 | Körperzustand beeinflusst direkt, wie du dich selbst siehst |
Psychologischer Hintergrund
- Selbstkohärenz = psychische Stabilität
(Kohärenztheorie, Antonovsky) - Identitätspluralität ist gesund – aber muss sortiert werden
(Narrative Identity, McAdams) - Reflexive Metakognition schafft Entscheidungsfreiheit
(Metacognitive Therapy, Wells) - Integration der Kind-Ich-Elemente stärkt Authentizität & Resilienz
(Ego-State-Therapie, Psychotraumatologie)
Zusammenfassung als Formel:
Identität = Handlung + Richtung + Spiegelung + Ursprung
Kohärenz = wenn alle vier nicht gleich, aber vereinbar sind.